Reifikation

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Reifikation [ˌʀeːʔifikaˈʦjoːn] (auch Reifizierung, von lateinisch res „Sache“ und facere „machen“) bedeutet „Vergegenständlichung“, d. h. die Behandlung einer Vorstellung, einer metaphorischen Benennung oder eines Ausdrucks für einen komplexen Zusammenhang, als würde ein konkreter Sachverhalt oder Gegenstand beschrieben werden. Beispiel: „Sein Gewissen hielt ihn davon ab, in diesen Zug zu steigen.“

Wissenschaftliche Theorien benutzen nach ihrer Funktion unterscheidbare Begriffsklassen, z. B. deskriptive Ausdrücke, Konstrukte, Indikatoren, intervenierende Variablen usw., wobei es zu dem Fehler kommen kann, die Funktionen zu verwechseln. Wenn z. B. Freud den Begriff Über-Ich als „Notationshilfe“ einführt, um über Hemmungen zu sprechen, darf diesem Über-Ich keine kausale Wirkung zugesprochen werden („Das Über-Ich ist schuld daran, dass X. sich so gehemmt verhält“).[1]

„Reifikation ist mehr als eine metaphysische Sünde, es ist eine logische Sünde. Es ist der Fehler, eine Notationshilfe zu behandeln, als sei es ein substantivischer Begriff, was ich Konstrukt genannt habe, als sei es beobachtbar, einen theoretischen Ausdruck, als sei es ein Konstrukt oder indirekt beobachtbar.“

Abraham Kaplan: The Conduct of Inquiry, Chandler 1964

In der Soziologie werden durch die Reifikation abstrakte Begriffe wie beispielsweise Identität oder Einstellung mit Hilfe einzelner Indikatoren so operationalisiert, dass man auf sie Bezug nehmen und sie messbar machen kann. Daraus ergibt sich aber häufig eine Fehlannahme oder ein Fehlschluss, der ebenfalls als Reifikation verstanden wird: Verdinglichte Konzepte stellen also oft selbst etwas dar, was sie eigentlich nur abstrakt beschreiben sollten. Der abstrahierte Begriff erscheint dann als Realität (siehe Thomas-Theorem).

Das Problem tritt dann auf, wenn hypothetische Modelle für real gehalten werden. Begriffe wie „der Islam“ oder „die Demokratie“ fallen darunter. Werden diese Begriffe im Laufe der Zeit in den allgemeinen Sprach- und Denkgebrauch übernommen, erschaffen sie eine Wirklichkeit, die es tatsächlich so nicht gibt. In diesem Beispiel wäre es: ein typisches Argument der Ideologiekritik.

Berger und Luckmann definieren Reifikation wie folgt:

„Reifikation ist, die Produkte menschlicher Aktivität so zu verstehen, als wären sie etwas anderes als menschliche Produkte – wie etwa Gegebenheiten der Natur, Auswirkungen kosmischer Gesetze oder Manifestationen eines göttlichen Willens.“

Peter Berger, Thomas Luckmann[2]

In der informatischen Ontologieerstellung beschreibt „Reifizierung“ die Umwandlungen von Relationen zu Ontologieklassen. In RDF gibt es beispielsweise die Möglichkeit, dass das Objekt eines Subjekt-Prädikat-Objekt-Tripels wiederum solch ein Tripel ist („eine Aussage über eine Aussage“).

Einzelnachweise

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  1. A. Kaplan (1964): The Conduct of Inquiry: Methodology for Behavioral Science, Chandler, S. 61
  2. Peter Berger, Thomas Luckmann: The Social Construction of Reality. Doubleday, 1966, S. 82 (Quelle).